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Ehrenbeleidigungsklage gegen Eduard Strauß

9. März 1868 · Morgen-Post
Stefan Franke

Gelesen von Stefan Franke

Vor mehreren Monaten brachten die hiesigen Blätter die Mitteilung von einem kleinen Skandal, der in Schwenders Kolosseum durch einen Streit des Kapellmeisters Eduard Strauß mit einem hiesigen Musiker hervorgerufen wurde.

Herr Strauß hob, wie man sich erinnert, bei einem Konzerte in Schwenders Kolosseum dem Violinisten Beranek den Bogen von der Violine, als dieser eine Ligatur übersah. Beranek scheint aber nicht viel Respekt vor seinem Kapellmeister gehabt zu haben, denn er übersah bei derselben Stelle die Ligatur abermals. Eduard Strauß fasste nun noch einmal den Bogen des Beranek und hob ihn wieder von der Violine.

Beranek ist aber eine reizbare Natur, er ließ sich die „öffentliche Beschimpfung“, die nach seiner Ansicht in dieser Rüge lag, nicht gefallen, und als sich der Kapellmeister in seine Kabine zurückzog, da lief er ihm nach und wollte ihm Bildung und Manier lehren, denn die Art und Weise, wie Eduard Strauß sich gegen ihn benommen habe, meinte er, sei keine Manier.

Strauß ließ sich aber von ihm keine Manier beibringen, sondern verbot ihm weiterzuspielen, ja er verlangte sogar, er solle sich fortpacken.

Über das, was nun weiter geschah, kann aber nichts Bestimmtes eruiert werden. Beranek sagt, Eduard Strauß habe ihm gedroht, er werde ihn arretieren oder durch die Polizei fortführen lassen und habe ihm auch einen Stoß auf die Brust gegeben. Strauß leugnet dies, und die als Zeugen vorgerufenen Musiker wollen nichts davon gesehen haben.

Einen Skandal setzte es aber jedenfalls ab; denn Strauß und Beranek kamen miteinander in das Inspektionszimmer gelaufen und beide schrieen dort und stritten heftig miteinander. Was sie sagten, geben nun beide wieder verschieden an, und der einzige Zeuge, der dabei zugegen war, der Polizeikommissär, kann sich an die Worte, die gebraucht wurden, nicht erinnern.

Nichtsdestoweniger strengte Beranek gegen Eduard Strauß eine Ehrenbeleidigungsklage beim Bezirksgericht Sechshaus an, die am 6. des Monats zur Verhandlung kam. Beranek erschien mit seinem Rechtsvertreter Dr. Hirschfeld, Strauß aber kam nicht und schickte Dr. Untermann als Vertreter.

Die Verhandlung dauerte drei Stunden; allein, da Beranek für seine Behauptungen keine Beweise zu bringen vermochte, blieb dem Richter Dr. Holzinger nichts übrig, als den Angeklagten nicht schuldig zu sprechen.

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